Sie führen einen mittelständischen Betrieb und sind durch Zahlungs- oder Auftragsausfälle in akute Schwierigkeiten geraten. Ihr operatives Geschäft ist dennoch grundsätzlich gesund und kann nach einer Umstrukturierung wieder auf Erfolgskurs gebracht werden. Ihnen fehlt es indes an Zeit und Geld die notwendigen Schritte einzuleiten, da Altverbindlichkeiten aus dem laufenden Betrieb heraus nicht bedienbar sind. Ihre betriebliche Situation ist zwar kritisch, aber nicht aussichtslos-keine Insolvenzantragspflicht.
Voraussetzung: Keine Zahlungsunfähigkeit
Wenn Sie vorgenanntes bejahen können, bietet das Insolvenzrecht seit 2012 die Möglichkeit im Rahmen einer sogenannten "INSOLVENZ IN EIGENVERWALTUNG" ein hohes Maß an Verbindlichkeiten zu entschulden, ohne die Führung des Unternehmens aufgeben zu müssen.
Alternativ kann dies auch im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens mittels Insolvenzplan geschehen. Im Ergebnis erfolgt eine "Sanierung im Rahmen einer Insolvenz".
Die Aufgabe besteht darin, die vom Gesetzgeber vorgesehenen Werkzeuge so virtuos einzusetzen, dass der Unternehmenslenker nach ca. 6 - 9 Monaten wieder im Besitz einer funktionierenden und weitestgehend entschuldeten Firma ist. Voraussetzung hierfür ist eine positive Fortführungsprognose, aus der ersichtlich ist, dass die Sanierung erfolgversprechend ist (siehe unten).
Insbesondere im § 270 a InsO obliegen dann dem Firmenlenker erhebliche Antrags- und Durchführungspflichten, für die Sie regelmäßig nicht die Zeit und nicht die erforderliche Expertise haben.
Die erforderlichen Antrags- und Durchführungsunterlagen sind extrem umfangreich und müssen mit aller Sorgfalt erstellt werden, da ansonsten eine Ablehnung droht. Weiterhin muss die erforderliche Kommunikation mit dem (vorläufigen) Sachwalter, den betroffenen Lieferanten und Banken sowie dem vorläufigen Gläubigerausschuss geführt werden. Ein geeigneter Sachwalter kann gestellt werden.
Positive Fortführungsprognose
Die positive Fortführungsprognose ist ein zentrales Element bei der Beurteilung der Überschuldung gemäß § 19 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) und kann dazu führen, dass keine Überschuldung vorliegt, auch wenn das Eigenkapital negativ ist.
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1. Ausgangspunkt: Definition der Überschuldung (§ 19 Abs. 2 InsO)
Eine Überschuldung liegt nicht vor, wenn die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.
Die Erstellung einer positiven Fortführungsprognose ist damit ein Mittel, Insolvenz zu vermeiden, wenn trotz bilanzieller Überschuldung (negatives Eigenkapital) noch eine realistische Chance auf Fortbestand besteht.
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2. Voraussetzungen für die positive Fortführungsprognose
Damit die Prognose wirksam ist, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:
a) Fortführungswille
• Die Geschäftsleitung plant, das Unternehmen fortzuführen.
• Es gibt keine gegenteiligen Beschlüsse (z. B. Liquidation, Betriebsaufgabe).
b) Fortführungsfähigkeit
• Das Unternehmen kann mit überwiegender Wahrscheinlichkeit wirtschaftlich überleben.
• Dies bedeutet: Die Liquidität ist für mindestens 12 Monate gesichert und Sanierungsmaßnahmen zeigen Wirkung.
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3. Erstellung der positiven Fortführungsprognose – Schritt für Schritt
Schritt 1: Analyse der aktuellen wirtschaftlichen Lage
• Aktuelle Bilanzanalyse (Eigenkapital, Vermögenslage)
• Liquiditätsstatus: Bestehen aktuell Zahlungsschwierigkeiten?
• Bestehende Verbindlichkeiten, Fälligkeiten, Sicherheiten
Schritt 2: Erstellung eines Finanzplans / Liquiditätsplans
• Planungszeitraum: mindestens 12 Monate, besser 24 Monate
• Monatlich aufgeschlüsselte Ein- und Auszahlungen
• Berücksichtigung von:
• Umsatzerwartungen
• Zahlungsziele und -vereinbarungen
• Löhne, Mieten, Kreditraten, Steuern etc.
• Eventuelle Sanierungsmaßnahmen (z. B. Personalkürzungen)
Ziel: Zeigen, dass alle Zahlungsverpflichtungen fristgerecht erfüllt werden können
Schritt 3: Planung der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV-Plan)
• Prognose des operativen Ergebnisses
• Berücksichtigung von Sanierungsmaßnahmen oder neuen Geschäftsfeldern
Ziel: Wirtschaftliche Tragfähigkeit des Geschäftsmodells belegen
Schritt 4: Maßnahmen zur Sanierung / Restrukturierung
• Darlehen von Gesellschaftern
• Stundungen oder Erlass von Verbindlichkeiten
• Kapitalzuführung (Eigenkapital oder mezzanine Finanzierungen)
• Kostensenkungen
• Verbesserungen der Vertriebssituation
Diese Maßnahmen müssen konkret, plausibel und umsetzbar sein.
Schritt 5: Dokumentation und Plausibilisierung
• Die Prognose muss nachvollziehbar und schriftlich dokumentiert werden.
• Belege: Verträge, Zusagen, Marktanalysen, Beratungsberichte
• Externe Bestätigung (z. B. durch Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Insolvenzrechtsexperten) ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber empfehlenswert.
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4. Anforderungen an die Prognosegüte
Die Fortführungsprognose muss auf überwiegender Wahrscheinlichkeit basieren – das bedeutet:
• Mehr als 50 % Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen fortgeführt werden kann
• Keine gravierenden Zweifel an den zugrundeliegenden Annahmen
Die Rechtsprechung (insb. BGH) verlangt keine „absolute Sicherheit“, aber konkrete, belastbare Anhaltspunkte.
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5. Wann liegt keine Überschuldung vor?
Eine bilanzielle Überschuldung (negatives Eigenkapital) führt nicht zur Insolvenzpflicht, wenn:
1. Der Fortführungswille besteht
2. Die Fortführungsprognose positiv ausfällt
3. Die Liquidität für mindestens 12 Monate sichergestellt ist
4. Sanierungsmaßnahmen greifen und realistisch sind